Lichtenstein.
(ghv) Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau enthielt der
Vortrag von Siegfried Bachmann, mit dem er am vergangenen Freitag auf Einladung des
Lichtensteiner Geschichts und Heimatvereins seine Zuhörer in der Gemeindebücherei
fesselte. Bachmann, in Lichtenstein längst
kein Unbekannter mehr, hatte sich bereits als Autor zweier Vorträge über die "Herkunft
der Schwaben" und über die "Gemeinsamkeiten der Schwäbischen und
Englischen Sprache" aufgrund seiner exzellenten Kenntnis nicht nur der
schwäbischen Geschichte ein Renommee als Völkerkundler und Sprachforscher erworben.
Bereits nach seinem zweiten Vortrag deutete der Bad Uracher Studienrat dem Geschichts und
Heimatverein gegenüber an, er wolle sich demnächst einmal mit dem Thema Frauen in der
Geschichte unserer Vorfahren auseinandersetzen.
Vorbild Südsee
Den Anstoß für den Vortrag gab ein Zeitungsartikel, in
dem von absoluter Gleichberechtigung der Geschlechter auf einer Südseeinsel die Rede war.
Dort seit Menschengedenken bereits eine Selbstverständlichkeit, mußte die Frau in
unseren Breiten ihre gesellschaftliche Gleichstellung erst (wieder) erkämpfen. Man(n) mag
sich selbst ein Bild darüber machen, wie weit diese Bemühungen vor allem was berufliche
Gleichstellung angeht am Ende des 20. Jahrhunderts vorangeschritten sind. Weit
fortschrittlicher dachten unsere damals noch heidnischen Vorfahren in der Zeit um Christi
Geburt.
Kampfentscheidend
Mit Zitaten aus der antiken Literatur belegte Bachmann in
seinem neuesten Referat sehr eindrucksvoll, daß die Stellung der Frau bei unseren
Vorfahren, die als kriegerische Nomaden lebten, wesentlich höher eingestuft war als sie
es in späteren Zeiten sein sollte. Wie Tacitus in "Germaniae" - dem
einzig bekannten antiken Werk über unsere Vorfahren - berichtete, waren die Frauen in der
damaligen Zeit hochgeschätzt. Die Ehe, als streng monogam ausgerichtete Zweierbeziehung,
galt damals als heilig. Ehebruch wurde für beide Geschlechter gleich streng bestraft.
Dabei verstand frau sich durchaus nicht als Heimchen am Herd, sondern unterstützte die
Männer im Kampf, anfeuernd, versorgend und die Verletzten pflegend. Darüber hinaus kam
den Frauen noch eine ganz besondere Bedeutung zu: Noch heute zeugen Namen wie Gudrun
(Gudrun: Gu(n)d = Kampf, run = Runen) von Fähigkeiten, aus den Runen zu lesen und den
richtigen Zeitpunkt für eine Schlacht vorherzusagen. Bei Caesar ist im "Gallischen
Krieg" nachzulesen, wie sehr den römischen Feldherrn diese Fähigkeit
beeindruckte. Bei einer entscheidenden Schlacht gegen die vorrückenden Germanen verlegte
er sogar seine Taktik, um dem vorausbestimmten Termin zuvorzukommen.
Biblische These nicht haltbar
Was war nun Ursache dafür, daß die ehemals starke
Position der Frau im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an Bedeutung verlor? Als nicht
haltbar und keinesfalls im Einklang mit dem Christentum sei der aus der Bibel abgeleitete,
dem Manne untergeordnete Wert der Frau. Als ausgebildeter Theologe sehr bewandert auch in
der hebräischen Sprache gab Bachmann eine eigene Auslegung der Schöpfungsgeschichte.
Danach war Adam nicht der erste Mann sondern das erste menschliche Wesen (hebr.: Adàm)
das von Gott geschaffen wurde. Auch die Erschaffung der Frau aus einer Rippe des Mannes
ist für ihn eine falsche Interpretation der Genesis. Die vollständige Zweiteilung des
ersten, geschlechtlich noch unspezifischen Wesens und die Ergänzung der beiden Hälften
erst führte zu Mann und Frau als gleichberechtigte Partner. Auch an keiner anderen Stelle
in der Bibel gäbe es Hinweise auf eine zweitklassige Rolle der Frau. Im Gegenteil, war
doch Jesus selbst der erste Rabbi, der sich deutlich und offen für die Frauen einsetzte.
Wie kam es nun zu dieser Etablierung des Patriarchats, das
die Frau immer mehr in die Unterdrückung drängte, die im Zeitalter der Hexenprozesse
ihren ersten blutigen Höhepunkt fand? Welche Rolle spielte dabei die klerikale Lehre? Wer
Siegfried Bachmann kennt, weiß, daß es nur mehr eine Frage der Zeit für den
vielbeschäftigten Autor ist, Ursachenforschung zu betreiben um auch auf solch unbequeme
Fragen Antworten zu finden. Antworten, die einigen selbstherrlichen Mitmenschen sicher
nicht unbedingt schmecken werden. Auch heute noch gilt, was unsere Vorfahren längst
erkannten: ein bedeutender Mann ist nur so groß wie die Frau an seiner Seite. |