Pressestimmen

 

Reutlinger Generalanzeiger:
Pfullingen/Eningen/Lichtenstein / 08.08.1992

Reutlinger Generalanzeiger

Jede Menge Staub aufwirbeln

Lichtensteins Geschichts- und Heimatverein zeigt Profil

Von Petra Schöbel

Lichtenstein. (GEA) »Pfffffffuuuuuuuh« Mit gespitztem Mund pustet Werner Vöhringer den Staub von einer rund 100 Jahre alten Wäschemangel. Mit der gleichen Energie, mit der der Vorsitzende des Lichtensteiner Geschichts- und Heimatvereins den störenden Belag von dem betagten Haushaltsgerät bläst, versucht er auch, den Staub aufzuwirbeln, der sich längst über große Teile der Geschichte seines Heimatortes gebreitet hat. Gegen das Vergessen arbeiten Vöhringer und alle aktiven Mitstreiter des Vereins an. Aktiv sein heißt für sie nicht, auf dem Fußballplatz oder in der Sporthalle anzutreten, sonderen sich als Jäger und Sammler auf dem weiten Feld der Geschichte zu tummeln: jagen nach den letzten Zeugen und Dokumenten einer Zeit, die noch nicht von »High Tech« und »Fast Food« geprägt war, Sammeln von Fotos und allerlei Gegenständen, die Leben und Arbeiten der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern anschaulich machen.

Geräte sammeln, die das Leben und arbeiten unserer Vorfahren geprägt haben: Werner Vöhringer untersucht eine 100jährige Wäschemangel (Foto: Elaine Vöhringer)

Eine 100jährige Wäschemangel und eine ausgemusterte Glocke von der Unterhausener Johanneskirche zählen zu den besonderen Stücken, die der Lichtensteiner Geschichts- und Heimatverein zusammengetragen hat. Der Vorsitzende Werner Vöhringer inspiziert bisweilen die alten Geräte. Foto: Elaine Vöhringer

Als die Gemeinde Lichtenstein vor drei Jahren ihr 900jähriges Bestehen feierte, da blickten viele Bürger in die Vergangenheit zurück. Sie suchten nach Ideen und Motiven für den historischen Festzug, der dann eine der Hauptattraktionen des Jubiläums wurde. Werner Vöhringer, der schon länger ein ganz privates Interesse an der Geschichte des Ortes hegte, nutzte dieses neu erwachte Geschichtsbewußtsein und beschloß, zusammen mit seinem Schwager Gerd Lindemann, den Geschichts- und Heimatverein zu gründen.»
     Wir wollten damit die vielen Aktivitäten bündeln, die im Zusammenhang mit der 900-Jahr-Feier entstanden waren«, erzählt Vöhringer heute. Das Projekt hatte Erfolg: Schon auf der Gründungsversammlung am 28. Juni 1989 trugen sich 67 Lichtensteiner in die Mitgliederliste ein. Seitdem ist dieser erste gemeinsame Lichtensteiner Verein auf rund 100 Interessierte aus allen drei Ortsteilen angewachsen.

Nach dreijähriger »Lehrzeit«, in der vieles angefangen wurde und auch einiges danebenging, arbeitet der elfköpfige Vorstand nun an seinem »Gesellenstück«: Ein inhaltliches Konzept soll die Aufgaben und Ziele genauer definieren. »Die Industrialisierung des oberen Echaztales« hat sich nach Angaben von Vöhringer und Lindemann immer mehr als Schwerpunktthema herauskristallisiert Eine Sammlung alter Hausgeräte und einiger historischer Landmaschinen bilden den Grundstock dessen, was einmal öffentlich ausgestellt werden soll.
     Zwar geistert die Idee vom eigenen Museum schon von Beginn an durch die Köpfe der Vereinsmitglieder, doch mit der Verwirklichung haben es die Freizeit-Geschichtsforscher derzeit nicht so eilig. »Wir wollen nicht eine schlechte Kopie von anderen Museen machen«, betont Vöhringer. Bevor sie »noch ein Bauernmuseum« einrichten, wollen die Lichtensteiner Grundlegendes leisten. Einen neuen, bislang noch nicht eingehend untersuchten Aspekt der Heimatgeschichte wollen sie beackern. Die Entwicklung der Industrie bietet sich dafür an, da Textilbetriebe schon frühzeitig im Echaztal Fuß gefaßt hatten.
     Als naheliegendes Ziel haben die Ausschußmitglieder eine Dokumentation zu diesem Thema geplant. Bis dahin muß allerdings noch in Archiven gestöbert und bei Firmen nachgefragt werden. Aufschlußreiche Informationen erhofft sich der Verein auch aus den Erzählungen alter Lichtensteiner, die lange in Fabriken am Ort gearbeitet haben. Schriftlich ausformuliert und mit zeitgenössischen Fotografien versehen, sollen die Forschungs-Ergebnisse dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. »Unsere Arbeit hat nur dann einen Sinn, wenn auch andere Menschen von dem erfahren, was wir jetzt schon über die Vergangenheit wissen«, meint Werner Vöhringer.

Zur Koordination der anstehenden Aufgaben und zum Sichten von neuen Materialien treffen aktive Vereinsmitglieder und interessierte Bürger einmal monatlich zusammen. Der erste Freitagabend im Monat ist zum festen Termin für die Hobby-Historiker geworden, seitdem der Verein von der Gemeinde einen Raum in der Ludwigstraße 8, dem ehemaligen Oberhausener Schulhaus, zur Verfügung gestellt bekam. »Der Raum ist für uns im Moment genau das Richtige«, erklärt Gerd Lindemann. Dort kann nun ein großer Teil der Dokumente und Fotos gelagert werden, die inzwischen zusammengetragen worden sind.

Eigentlich hatte der Verein Zeit seines Bestehens nach einem größeren Anwesen Ausschau gehalten, wo auch die Geräte und Maschinen untergestellt und sogar ausgestellt werden könnten. Nachdem jedoch recht bald der Traum vom Unterhausener Ballenmagazin ausgeträumt war, spekulierten die Geschichts_ interessierten auf den ehemaligen Farrenstall in der Mühlstraße. Die Gemeinde brauchte das Haus jedoch, um Asylbewerber und Obdachlose unterzubringen, gestand dem Geschichtsverein aber einen Teil des Gebäudes als Lagerraum zu.

Vöhringer und Lindemann haben inzwischen begriffen, daß der Wunsch nach einem repräsentativen Haus vom Verein zu früh geäußert worden war. »Wir hatten anfangs viele Vorstellungen, aber kein klares Konzept«, er läutem sie. Kein Wunder, so meinen sie heute, daß Bürgermeister und Gemeinderat sich dem Anliegen des Vereins so lang widersetzten. Mit dem Vereinsraum und dem Lager sind sie deshalb jetzt sehr zufrieden. Dort wird die 100jährige Wäschemangel ebenso ihren vorläufigen Standort finden wie die alte Dreschmaschine, die schon beim Jubiläumsumzug zu bewundern war, und viele andere Dinge.

Die historischen Gegenstände sind mit viel Eigeninitiative der Vereinsmitglieder aus Scheunen, KeHem und Dachböden hervorgeholt worden. Werner Vöhringer hebt hervor, daß ohne das Engagement ortsansässiger und geschichtsbewußter Sponsoren einige Anschaffungen und Transporte nicht möglich gewesen wären. Winfried Seiter, Helmut Vollmer und Bruno Epple zeigen sich nach Ansicht des Vorsitzenden als besonders spendabel, wenn es um die Belange des Vereins geht. Doch auch der Spürsinn und die geduldige Kleinarbeit all jener, die sich durch verstaubte Akten und vergilbte Dokumente wühlen, ist für den Lichtensteiner Geschichts- und Heimatverein von unschätzbarem Wert.

pfeilba.gif (56 Byte)     zurück

zum Seitenanfang     pfeilup.gif (58 Byte)

pfeilba.gif (56 Byte)     zur Hauptseite
Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein e.V., Ludwigstraße 8, 72805 Lichtenstein