Pressestimmen

 

Reutlinger Generalanzeiger:
Pfullingen/Eningen/Lichtenstein / 20.11.1995

Reutlinger Generalanzeiger
 

»Saumäßige Liebe«

Ein Abend mit Trudel Wulle und Walter Schultheiß in Unterhausen

 

Von Hans Schenk

Lichtenstein. (GEA) »Der Karle isch net nur oi Karle, sondern zwoi Karle - manchmol denk i sogar, daß es drei send«, hat der Karle zu seiner Frau gesagt. Ja, der Karle der hat's in sich. »Oigasennig isch der Kerle, net zum aushalta! Was andere saget, interessiert den doch net. Der Karle wois zwar nix, aber des ganz genau.« So wie der die Dinge sieht, »so send se au. Basta!«
Karle ist der Schwabe an sich. Nichts bringt den außer Fassung - außer seine Frau. Denn die isch no schwäbischer als er selber. Das Publikum liegt flach unter einer Lachsalve. Deutschland deine Schwaben! Trudel Wulle und Walter Schultheiß führen sie vor - auf der Bühne und vor sich selbst. Walter Schultheiß, alias Karle, lächelt maliziös von der Bühne ins Parkett des Unterhausener Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehauses: »Vielen Dank für den schizophrenen Applaus«.
     Der Mundartskeptiker mag am Freitagabend bekehrt heimgekehrt sein. Es gibt sie doch, die schwäbischen Abende mit selbstironischem Biß jenseits der Klischees und domestizierten Witze. Nicht daß Schultheiß und Wulle auf die wohlfeilen Gags verzichtet hätten - dazu lieben die beiden Bühnenprofis den Applaus zu sehraber es steckte doch immer etwas dahinter. Zumindest waren sie hinreißend komisch. Gelacht werden durfte auf mehreren Niveaus. Daß die feministische Brille bei den Texten von Friedrich A. Schiler, Barbara Sobek, Raimund Ritter und Walter Schultheiß gelegentlich angelaufen sein dürfte, soll aber nicht verschwiegen werden. Denn die Dramaturgie der schwäbischen Valentinaden lebt nicht selten davon, daß ein Irrer auf einen Dummen trifft, und letzterer ist halt oft em Karle sei Frau.
     So isch se halt, die Mundartkunscht, und net jeder kann se vertraga. Wie auch immer, gut beraten waren am Freitagabend sicher jene, die ihre Spezialoptiken zu Hause gelassen hatten und den Blick selbstironisch nach innen wandten. Nicht nur für Schwaben empfehlenswert, denn ein Schwabe sitzt in jedem - mehr oder weniger.
     Wer ist nicht manchmal ignorant bis zur Schwerhörigkeit, wie der gute Mann, der der Putzfrau partout nicht abnehmen will, daß der Arzt im Urlaub ist? Schwätzt man nicht ständig aneinander vorbei, weil man einfach nicht zuhören kann, und in der eigenen Miniwelt alles so schön logisch ist außer den falschen Voraussetzungen? Geht's einem nicht manchmal wie dem Karle, der sich nicht traut eine Gehaltserhöhung zu verlangen, aber mächtig stolz ist, wenn ihn »dr Chef em Aufzug aspricht, mit Nama!«.
     Lassen sich unter anderen Volksstämmen vielleicht noch notorische Nörgler finden, mit einer sprachlichen Besonderheit sind die Schwaben allein im Universum - abgesehen von den Bayern. Sie kennen kein Wort für Liebe und müssen die zugegebenermaßen wichtige Angelegenheit mit Begriffen aus dem Wortfeld Speis und Trank bewältigen. »I mag mein Karle. Ich liebe dich, sagt ma im schwäbischen ja net«, sagt dem Karle sei Frau.
     Trudel Wulle weiß schon: »Ich glaub', daß >I mag Di< des gleiche ausdrückt wie >Ich liebe Dich<«, meint sie nach der Vorstellung. Ein »saumäßig« müsse für die gleiche Ausdruckstiefe aber schon noch dazu kommen, sinniert dagegen Walter Schultheiß.
     Das Duo ist übrigens im Januar wieder bei den 20. Mundartwochen in Reutlingen dabei. Wer also die Veranstaltung des Geschichts- und Heimatvereins Lichtenstein am Freitagabend verpaßt hat, kann sich ja dort in die »Sorgen und Nöte des Schwabentums« vertiefen.

emptypixel.gif (43 Byte)
pfeilba.gif (56 Byte)     zurück

zum Seitenanfang     pfeilup.gif (58 Byte)

pfeilba.gif (56 Byte)     zur Hauptseite
Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein e.V., Ludwigstraße 8, 72805 Lichtenstein