Pressestimmen

 

Reutlinger Generalanzeiger:
Pfullingen/Eningen/Lichtenstein / 21.08.2004

Reutlinger Generalanzeiger

Wirtshausgeschichte(n) - Als Pferde und Ochsen die Zecher nach Hause brachten. Lichtensteiner Lokalitäten

Als die Krone zum Schützen wurde 

VON GERT LINDEMANN 

LICHTENSTEIN. Auf sein Archiv ist der Geschichts- und Heimatverein schon ein bisschen stolz. Die vereinseigene Sammlung umfasst inzwischen weit über 1 000 Bilder. Hinzu kommen zahlreiche Dokumente, Akten und vieles mehr. Sein Umfang ist nicht zuletzt den fleißigen Recherchen von Wilhelm Reiff, Gemeindearchivar und Mitglied im Geschichtsverein, zu verdanken.

Aus diesem Fundus haben die Aktiven des Geschichtsvereins Werner Vöhringer (Vorsitzender), Günther Frick, (Stellvertreter), Gert Lindemann (Schreiber), Winfried Reiff (Reproexperte) und Willy Hohloch (Kalligraphie) eine Arbeit über das Lichtensteiner Wirtschaftsgewerbe zusammengestellt, das die historischen Stationen der hiesigen Lokalitäten beleuchtet und mit ihrem Erscheinungsbild in heutiger Zeit vergleicht.
     Gemeindearchivar Reiff hat durch intensives Quellenstudium in den Gemeindeakten wesentlich zur Aufklärung beigetragen. Als besonders ergiebig erwiesen sich dabei die Bau- und Gebäudekataster, Gebäudebrandversicherungsprotokolle, Gewerbesteuerunterlagen, Gewerbe-Anzeigen sowie Erlaubnisurkunden der Alt-Registratur, aus denen sich die Chroniken der Häuser zum Teil bis Anfang 1800 zurückverfolgen ließen.

Die "neue Krone von Wagner Ludwig Haid" 1905 in der Rathausstraße  (Foto: privat) emptypixel.gif (43 Byte) Die "neue Krone von Wagner Ludwig Haid" in der Rathausstraße Unterhausen (um 1905) - heute Gasthaus Schützen, Holzelfingerstraße
FOTO: PR

Viertele für neunzig Pfennig

Fotos, zum Teil aus privater Hand, Postkarten und ehemalige Werbeprospekte, Besitzurkunden, Schanklizenzen und Umsatzsteuererklärungen der heute Hotel, Gasthof und Café genannten Unternehmen, halfen ebenfalls weiter, eine Zeit nachzuzeichnen, in der ein Viertele Rotwein zwischen neunzig Pfennig und zwei Mark, ein Wiener Rostbraten genau drei, warmer Leberkäse eine Mark und Ananas mit Sahne sechzig Pfennig kosteten.
     Nicht zu vergessen die Prominenz, die in den Gasthöfen Lichtensteins abstieg: Neben der deutschen Fußball-Nationalmannschaft fand einst auch Tenor Rudolf Schock beispielsweise den Weg in das Albhotel Traifelberg. Mit John Shalikashvili durfte das Hotel "Adler" in Honau sogar den jetzigen Stabschef des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton bewirten, als dieser kurz vor seiner Ernennung hohe NATO-Offiziere zu einem Abschieds-Gala-Diner ins Ländle einlud.

Backofen-Bau-Erlaubnis

Die erste urkundlich erwähnte "Krone" wurde um 1785 erbaut. Sie befand sich gleich neben dem heutigen "Schützen" in der Holzelfinger Straße (Nr.19) und musste 1975 dem Straßenbau weichen. In einem Situationsplan vom 16. August 1836 ist ein "Wirtschaftszimmer" eingetragen und eine "Bau-Erlaubnis zum Bau eines Backofens" vom 18. August 1836 sowie Eich-Protokolle in der Zeit von 1840 bis 1847 (12 Kontrollen) weisen Johannes Reiff als "Kronenwirth" aus.

1905 erscheint Stephan Preusch, Privatier, als Besitzer des Gebäudes Nr.19 in einem Schätzungsprotokoll. Es wird auch erwähnt, dass das Gebäude 120 Jahre alt ist und somit im Jahr 1785 erbaut worden sein muss. 1922 gibt es in diesem Haus eine Werkstatt und einen Ladeneinbau, anstelle von zwei Zimmern und Küche. Besitzerin Erika Vollmer. In einem Steuerbuch, ebenfalls aus 1922, erschienen "Vollmer Flaschners Eheleute" als die Besitzer. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Wirtschaftsbetrieb spätestens mit der Eröffnung der neuen Krone 1906, vermutlich jedoch schon früher eingestellt wurde. In einem Schätzungsprotokoll zur Gebäudebrandversicherung von 1864 wird ein Mathäus Reiff genannt, dessen Beruf mit Weber angegeben ist.

Die neue Krone wurde von Wagner Ludwig Haid 1905 in der Rathausstraße 17 erbaut. Er erhielt am 13. Dezember 1906 die "Koncession in 2 Zimmern EG und 2 Zimmern 1. Stock für Wein, Bier und Branntwein". Am 6. März 1920 erhielt die Gastwirtschaft auch die "Genehmigung zur Beherbung von Fremden für 3 Fremdenzimmer".
     Ab dem 15. Dezember 1924 wurde der Witwe Christiane Haid geb. Harr, für die Dauer ihrer Witwenschaft die Erlaubnis für das Fortführen der Gastwirtschaft erteilt. Die Krone war bis 1954 im Besitz der Familien Haid.

Internationaler Charakter

Der Musiker Alfred Raach erhielt am 26. Februar 1951 eine Wirtschaftsberechtigung für "1 Wirtschaftsraum, 1 Nebenzimmer, 1 Fremdenzimmer im EG, ein Wirtschaftssaal und einem Fremdenzimmer im 1. Stock und einem Fremdenzimmer im 2. Stock. Ausschank für Wein, Bier, Branntwein und nichtgeistige Getränke jeder Art". Bereits am 4. Dezember 1951 löste Hans Reiff, Eisenhobler, Raach als Pächter ab.

Auf ihn folgte am 14. April 1954 als neuer Besitzer Anton Wienerroither, dem am 21. Oktober 1954 das Recht zum Betreiben der Krone erteilt wurde. Die "Krone" wurde noch am selben Tag in "Schützen" umbenannt. Von 1973 bis 1988 übernahm Rosa Wienerroither als Wirtin das Ruder, das sie an ihren Sohn Josef übergab. Sie verstarb 1994. 

Theo Altiparmakis, der den Schützen 1989 zunächst in Pacht übernommen hatte, kaufte das Gebäude Holzelfinger Straße 17 vor drei Jahren und unterzog es einer gründlichen Renovierung. Mit den angebotenen griechischen Spezialitäten ist "Theo", ein fester Bestandteil der Lichtensteiner Gastronomie, die insgesamt längst internationalen Charakter erreicht hat. (GEA)

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