MUNDART: "Ebbes Schwäbisch's em November" beim
Geschichts- und Heimatverein
Schdoorakischda stupfa ond "Hindersche" vier"
LICHTENSTEIN. Eine "Schwäbische
Stunde" versprach der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein seinen Gästen der
Mundartveranstaltung "Ebbes Schwäbisch's em November" jüngst Im
Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus in Unterhausen. Daß daraus gut zweieinhalb Stunden
humorvolle und stimmungsreiche Unterhaltung wurden, ist den Interpreten des Abends, dem
Schwäbischen Mundartdichter Wilhelm König und der Gruppe "Hindersche vier" zu
verdanken, die sich den zahlreichen Freunden und Mitgliedern als perfekt aufeinander
eingespieltes Team präsentierten. Gekonnt warfen sie sich auf der Bühne die
literarisch-musikalischen Bälle zu und bezogen dabei auch die Zuhörer geschickt mit ein.
Mit einem sehr tiefgründigen, hintersinnigen Humor
bewegte sich Wilhelm König auf sein Publikum zu. Wer simple Plattitüden erwartet hatte,
wurde enttäuscht. Der Reutlinger Schriftsteller (aber gebürtige Dettinger) zwang sein
Publikum zum Nachdenken. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn er den
verhochdeutschten Schwaben einen Spiegel vorhielt: Mag man sich auch noch so bemühen, den
Schwaben zu verleugnen, durch ein unbedacht geäußertes "Haedanae" ist die
ganze Mühe umsonst.
Wend omoola
Mit einem breiten Spektrum seines Schaffens vermittelte König Einblicke in die
schwäbische Seele und ihre Wesensart. Ob es nun kleinere Geschichten (Räagadaag) oder
kurze Sprüche (dees semmr de Räachde, ondram Solariom brooda, abr nochr an de Schwaaze
koe guads Häarle lao!) sind, bleibt dem Zuhörer auch schon einmal das Lachen im Halse
stecken. Auch Vergleiche mit der vermeintlich guten alten Zeit scheut er nicht, wenn er
die Frage stellt, was denn nun besser sei, "wia heit mit Coladosa romkigga ond Wend
omoola oder wia friar Schdoorakischda raaschdubfa und Schdrooßalamba ra schiaßa".
Auch die kleineren Querelen zwischen verschiedenen Ortschaften
läßt König nicht außen vor: Beliebtes Spiel seines Spotts: die alte Fehde zwischen
Aurich (Urach) und Dettingen. König lästert zwar über seine Wahlheimat Reutlingen und
ihre Einwohner, läßt aber doch nichts auf sie kommen, obwohl er mit Leib und Seele
Dettinger ist.
Ein brillantes Feuerwerk schwäbsicher V(F)olkslieder brannte die
Gruppe "Hindersche vier" ab. Das Quartett begeisterte sein Publikum durch seine
Spielfreude, die manchen Profis gut zu Gesicht stehen würde. Ihre Musik betreiben sie im
ureigensten Sinne des Wortes als Amateure: Liebhaber einer Musik, die, wenn man es aus der
Musikgeschichte nicht besser wüßte, die Wurzeln des Blues in der schwäbischen Seele
vermuten ließen. "Hindersche vier", das sind Johann Hahn, Gesang und Gitarre,
Ernst Knorpp, Ukulele(le), Dieter Hildenbrand, Kontrabaß, und Detlef Wieland, Bluesharp
(oder auch "Goschahobel"). Alle vier aus dem Heilbronner Umland, mit beiden
Beinen im Berufsleben stehend, treffen sie sich seither zu besonderen Anlässen, um ihrer
gemeinsamen Leidenschaft zu frönen: dem schwäbischen "Folks"lied.
Ihre Liebe zu schwäbischen Texten wurde hauptsächlich durch den
Stettener Mundartdichter Josef Kaltenmaier geprägt, der dem Quartett auch zu seinem
eigenwilligen Namen verhalf. Auf gemeinsamen Auftritten charakterisierte dieser seine
Texte gerne als "verdreht, ieberzwerch oder hindersche für". Da diese.
Attribute auch für ihre Musik paßten, blieb das "hindersche" hängen, und aus
"für" wurde "vier". "Hindersche vier" eben. Dies drückt
sich auch in ihren sogenannten Liederzyklen aus. Entstand das "Berglied" aus dem
Zyklus "Lieder fremder Völker" (Österreich) als Antwort auf das ewige
"Kufsteinlied", so beschreibt das Lied "Mama, was hend se do mit deim
Bua" aus dem Zyklus "Frauenlieder" durchaus hintergründig, wie
übertriebener elterlicher Ehrgeiz zu Fehlentwicklung und zwangsläufig zum Kollaps
führen muß.
Neben eigenen Texten, die Hahn musikalisch unterlegt, nehmen sie
aber auch Anleihen von so berühmten Vorbildern wie Manfred Hepperle ("Rega
Reggea"), Sebastian Blau ("Nepomuklied"), Harald Immig
("Mostlied") und Wolle Kriwanek. Doch auch der ehemalige Bürgermeister von
Wüstenrot steht als Ghostwriter Pate wie bei dem Lied "Hi gut Württemberg
allewege" mit dem Untertitel: "Mir Schwoba hocket überall auf dera Welt"
Dank der ausgeprägten Naturstimme Hahns, die in abgrundtiefe Baßlagen noch klar
intoniert, präsentieren sich die Liedertexte auch für die Zuhörer in den hinteren
Reihen noch gut verständlich.
Schwarzer Blues
Musikalisch reicht ihr Repertoire von schwärzestem Blues über fetzigen Rock hin zu
gefühlvollen Balladen. Wo ihre Vorliebe liegt, wird spätestens bei ihren ausgedehnten
Vorspielen klar (je länger 's Vorspiel, omso scheener dr Blues!). Detlef Wieland spielt
dazu eine leidenschaftliche Bluesharp, die einem eiskalte Schauer über den Rücken treibt
(Altvater John Mayall läßt grüßen). Das Ukulele(le) von Ernst Knorpp ergänzt das
Zusammenspiel besonders dann hervorragend, wenn etwas ausgefallene Rhythmen angesagt sind
wie etwa beim "Rega Reggae".
Ein solides Baßfundarnent legt der Kontrabaß von Dieter
Hildenbrand, der nicht nur musikalisch den Kontrapunkt im Liedvortrag setzt. Er beherrscht
sein Instrument virtuos, spielt es aber mit gekonnt versteinerter Miene, in der sich auch
dann noch keine Gefühlsregung zeigt, wenn das Publikum bereits "auf den
Bänken" ist. Ein humorloser Mensch? Mitnichten, entpuppt er sich doch in der Pause
und nach dem Auftritt erst als wahrer Spaßmacher.
Wie der Organisator der Mundartreihe "Ebbes Schwäbisch's em
November", Gert Lindemann, bereits in seiner Begrüßung feststellte, hat sich
inzwischen so etwas wie eine freue Fangemeinde innerhalb der Zuhörer gebildet. Nicht
zuletzt hierdurch hat sich der Mundartabend bereits fest im kulturellen Geschehen in der
Gemeinde etabliert. Der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein ist darauf bedacht, den
Charakter und den Anspruch dieser Reihe konsequent fortzusetzen und hofft auch im
nächsten Jahr wieder auf reges Interesse. |