Lichtensteiner
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Wasserkraft im Oberen Echaztal | |
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Echazquelle, Honau
»Wer eine herrliche Wasserquelle sehen will, komm' mit
zur Echatzquelle. Kaum mehr als tausend Schritte ob dem Dorfe Honau
sprudelt sie hervor, nahe der alten Dobelmühle, auf die rechts aus
stolzer Höhe das Schlößlein Lichtenstein, links die zackigen Felsen des
Traifelbergs hernieder-schauen. Hier im Wiesengrunde öffnet sich
eine tiefe Schlucht, der Dobel genannt. Wir treten in sie ein.
Waldesschatten umfängt uns; Felsblöcke liegen zerstreut umher; ein
klarer Forellenbach eilt hurtig seines Weges. Jetzt hören wir auch das
Rauschen der Quelle. Noch eine kleine Wegbiegung und wir stehen am
lieblichen Quellbecken. Hohe Eichen umsäumen es, dazu die Buchen des
Bergwaldes, der von beiden Seiten zum Quell herniedersteigt. Drüben am
Fuß des Berghanges quillt und sprudelt und schießt das Wasser in einer
Fülle und Hast, als könnte es kaum erwarten, ans Licht des Tages zu
kommen. Fünf, zehn, ja noch mehr Quellen brechen hier aus dem grauen
Felsengestein hervor, eine mächtiger als die andere. Glänzend wie Silber
stürzt das Wasser über die grünbemoosten Steine, um sich dann
auszubreiten zu einem kleinen See, dessen Grund immer wieder von
Felsbrocken und Geröll angefüllt wird. Wald, Himmel und Wolken spiegeln
sich in der kristallhellen Flut. Ohne Rast und Ruh wälzt sich das Wasser
über die Steine dahin, springt dann als Bach hinab zur Dobelmühle, wo es
im Vorbeigehen die flinken Räder treibtund eilt durch grüne Wiesen dem
Dorfe zu, über dessen Tuffsteinfelsen es brausend zu Tal stürzt.
Und dass es quillt und sprudelt und fließt, kommt von den Nixen, die das Wasser treiben und jagen. Und das Murmeln und Rauschen des Wassers ist nichts anderes als der Gesang der Nixen, die in ihm ihren Reigen führen. Gespeist wird der unterirdische See aber von dem Regenwasser, das oben auf der Albebene niedergeht. Durch die Sprünge und Klüfte des Gebirges dringt es in die Tiefe und läuft in vielen Wasseradern im See zusammen. Daraus erklärt sich der Wasserreichtum der Quellen im Tale und die Wasserarmut der Albhöhen. Vor einiger Zeit ist das Quellbecken und seine Umgebung wieder neu hergerichtet worden. Früher war über der Quelle eine aus Steinen erbaute Nische. In ihr stand das Bild einer Nixe, von einem Honauer Künstler aus Gips geformt. In der einen Hand hielt sie eine Forelle, mit der anderen stützte sie sich auf ein Wasserrad. Böse Buben haben das sinnige Kunstwerk durch Steinwürfe zerstört. Was es doch für dumme und rohe Burschen gibt! Unseren heidnischen Voreltern waren solche Quellen heilig. An festlichen Tagen. wenn das Frührot leuchtete und der Morgenwind begann, in den Wipfeln der Bäume zu säuseln, gingen sie hinaus an den Quell und besprengten sich voll heiligen Schauers mit dem göttlichen Naß. Auch heute noch übt das Rauschen einer Wasserquelle einen eigenen Zauber aus auf das empfindsame Menschenherz. Stundenlang möchte man hier sitzen und träumen und den Wassern lauschen, die aus geheimnisvoller Tiefe emporquellen, dem Lichte und der Freiheit entgegen.« (Karl Rommel, An der Echazquelle, Reutlinger Heimatbuch, Verlag Oertel und Spörer, 1918) |
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