Jede
Menge Staub aufwirbeln
Lichtensteins
Geschichts- und Heimatverein zeigt Profil
Von
Petra Schöbel
Lichtenstein.
(GEA) »Pfffffffuuuuuuuh« Mit
gespitztem Mund pustet Werner Vöhringer den Staub von einer rund 100 Jahre
alten Wäschemangel. Mit der gleichen Energie, mit der der Vorsitzende des
Lichtensteiner Geschichts- und Heimatvereins den störenden Belag von dem
betagten Haushaltsgerät bläst, versucht er auch, den Staub aufzuwirbeln,
der sich längst über große Teile der Geschichte seines Heimatortes
gebreitet hat. Gegen das Vergessen arbeiten Vöhringer und alle aktiven
Mitstreiter des Vereins an. Aktiv sein heißt für sie nicht, auf dem Fußballplatz
oder in der Sporthalle anzutreten, sonderen sich als Jäger und Sammler auf
dem weiten Feld der Geschichte zu tummeln: jagen nach den letzten Zeugen und
Dokumenten einer Zeit, die noch nicht von »High Tech« und »Fast Food«
geprägt war, Sammeln von Fotos und allerlei Gegenständen, die Leben und
Arbeiten der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern anschaulich machen.
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Eine
100jährige Wäschemangel und eine ausgemusterte Glocke von der
Unterhausener Johanneskirche zählen zu den besonderen Stücken, die
der Lichtensteiner Geschichts- und Heimatverein zusammengetragen hat.
Der Vorsitzende Werner Vöhringer inspiziert bisweilen die alten Geräte.
Foto: Elaine Vöhringer |
Als
die Gemeinde Lichtenstein vor drei Jahren ihr 900jähriges Bestehen feierte,
da blickten viele Bürger in die Vergangenheit zurück. Sie suchten nach
Ideen und Motiven für den historischen Festzug, der dann eine der
Hauptattraktionen des Jubiläums wurde. Werner Vöhringer, der schon länger
ein ganz privates Interesse an der Geschichte des Ortes hegte, nutzte dieses
neu erwachte Geschichtsbewußtsein und beschloß, zusammen mit seinem
Schwager Gerd Lindemann, den Geschichts- und Heimatverein zu gründen.»
Wir
wollten damit die vielen Aktivitäten bündeln, die im Zusammenhang mit der
900-Jahr-Feier entstanden waren«, erzählt Vöhringer heute. Das Projekt
hatte Erfolg: Schon auf der Gründungsversammlung am 28. Juni 1989 trugen
sich 67 Lichtensteiner in die Mitgliederliste ein. Seitdem ist dieser erste
gemeinsame Lichtensteiner Verein auf rund 100 Interessierte aus allen drei
Ortsteilen angewachsen.
Nach
dreijähriger »Lehrzeit«, in der vieles angefangen wurde und auch einiges
danebenging, arbeitet der elfköpfige Vorstand nun an seinem »Gesellenstück«:
Ein inhaltliches Konzept soll die Aufgaben und Ziele genauer definieren. »Die
Industrialisierung des oberen Echaztales« hat sich nach Angaben von Vöhringer
und Lindemann immer mehr als Schwerpunktthema herauskristallisiert Eine
Sammlung alter Hausgeräte und einiger historischer Landmaschinen bilden den
Grundstock dessen, was einmal öffentlich ausgestellt werden soll.
Zwar geistert die Idee vom eigenen Museum schon von
Beginn an durch die Köpfe der Vereinsmitglieder, doch mit der
Verwirklichung haben es die Freizeit-Geschichtsforscher derzeit nicht so
eilig. »Wir wollen nicht eine schlechte Kopie von anderen Museen machen«,
betont Vöhringer. Bevor sie »noch ein Bauernmuseum« einrichten, wollen
die Lichtensteiner Grundlegendes leisten. Einen neuen, bislang noch nicht
eingehend untersuchten Aspekt der Heimatgeschichte wollen sie beackern. Die
Entwicklung der Industrie bietet sich dafür an, da Textilbetriebe schon frühzeitig
im Echaztal Fuß gefaßt hatten.
Als naheliegendes Ziel haben die Ausschußmitglieder
eine Dokumentation zu diesem Thema geplant. Bis dahin muß allerdings noch
in Archiven gestöbert und bei Firmen nachgefragt werden. Aufschlußreiche
Informationen erhofft sich der Verein auch aus den Erzählungen alter
Lichtensteiner, die lange in Fabriken am Ort gearbeitet haben. Schriftlich
ausformuliert und mit zeitgenössischen Fotografien versehen, sollen die
Forschungs-Ergebnisse dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
»Unsere Arbeit hat nur dann einen Sinn, wenn auch andere Menschen von dem
erfahren, was wir jetzt schon über die Vergangenheit wissen«, meint Werner
Vöhringer.
Zur
Koordination der anstehenden Aufgaben und zum Sichten von neuen Materialien
treffen aktive Vereinsmitglieder und interessierte Bürger einmal monatlich
zusammen. Der erste Freitagabend im Monat ist zum festen Termin für die
Hobby-Historiker geworden, seitdem der Verein von der Gemeinde einen Raum in
der Ludwigstraße 8, dem ehemaligen Oberhausener Schulhaus, zur Verfügung
gestellt bekam. »Der Raum ist für uns im Moment genau das Richtige«, erklärt
Gerd Lindemann. Dort kann nun ein großer Teil der Dokumente und Fotos
gelagert werden, die inzwischen zusammengetragen worden sind.
Eigentlich
hatte der Verein Zeit seines Bestehens nach einem größeren Anwesen
Ausschau gehalten, wo auch die Geräte und Maschinen untergestellt und sogar
ausgestellt werden könnten. Nachdem jedoch recht bald der Traum vom
Unterhausener Ballenmagazin ausgeträumt war, spekulierten die Geschichts_
interessierten auf den ehemaligen Farrenstall in der Mühlstraße. Die
Gemeinde brauchte das Haus jedoch, um Asylbewerber und Obdachlose
unterzubringen, gestand dem Geschichtsverein aber einen Teil des Gebäudes
als Lagerraum zu.
Vöhringer
und Lindemann haben inzwischen begriffen, daß der Wunsch nach einem repräsentativen
Haus vom Verein zu früh geäußert worden war. »Wir hatten anfangs viele
Vorstellungen, aber kein klares Konzept«, er läutem sie. Kein Wunder, so
meinen sie heute, daß Bürgermeister und Gemeinderat sich dem Anliegen des
Vereins so lang widersetzten. Mit dem Vereinsraum und dem Lager sind sie
deshalb jetzt sehr zufrieden. Dort wird die 100jährige Wäschemangel ebenso
ihren vorläufigen Standort finden wie die alte Dreschmaschine, die schon
beim Jubiläumsumzug zu bewundern war, und viele andere Dinge.
Die
historischen Gegenstände sind mit viel Eigeninitiative der
Vereinsmitglieder aus Scheunen, KeHem und Dachböden hervorgeholt worden.
Werner Vöhringer hebt hervor, daß ohne das Engagement ortsansässiger und
geschichtsbewußter Sponsoren einige Anschaffungen und Transporte nicht möglich
gewesen wären. Winfried Seiter, Helmut Vollmer und Bruno Epple zeigen sich
nach Ansicht des Vorsitzenden als besonders spendabel, wenn es um die
Belange des Vereins geht. Doch auch der Spürsinn und die geduldige
Kleinarbeit all jener, die sich durch verstaubte Akten und vergilbte
Dokumente wühlen, ist für den Lichtensteiner Geschichts- und Heimatverein
von unschätzbarem Wert.
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