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Reutlinger Generalanzeiger:
Pfullingen/Eningen/Lichtenstein / 21.08.1993

Reutlinger Generalanzeiger

Lichtensteins Lokalhistoriker erforschen Anfänge der Industrie

Heißer Draht zur Geschichte

Lichtenstein. ( mat) Freitagabend, Feierabend in Unterhausen? Mitnichten: die Räume im Erdgeschoß der Ludwigstraße Nummer acht gleichen erst nach 20 Uhr einem Stock emsiger Bienen. Lichtensteins Vergangenheit bis in den letzten Winkel ausleuchten, das hat sich der örtliche Geschichts- und Heimatverein vor vier Jahren als Ziel gesetzt. Seither erfassen und erforschen die an ihrer Historie interessierten Lichtensteiner alles, was Ihnen an Dokumenten über die Teilorte Holzelfingen, Honau und Unterhausen in die Hände gelangt. In absehbarer Zeit wollen die Hobbyforscher eine Ortschronik als Buch veröffentlichen.

Die alte Ballenpresse in der Honauer Tobelmühle: Teile der Anlage zur Herstellung von Holzwolle und Klärspänen stehen heute im Mannheimer Industriemuseum. Traum des Lichtensteiner Geschichtsvereins ist es, diese Geräte einst in einem eigenen Ausstellungsraum zeigen zu können. GEA-Archivfoto: Zenke

»Wir wollen kein Debattierclub sein", sagt Gert Lindemann vom Geschichtsverein. Die Lichtensteiner forschen zwar »nur« nach Feierabend. Dafür sind die rund 120 Vereinsmitglieder fleißige Spezialisten in puncto Vergangenheit. Ihr Hauptaugenmerk richten die Geschichtsfreunde vier Jahre nach der Vereinsgründung auf die Industrialisierung des oberen Echaztals. Nicht ohne Grund, denn die Geschichte der Gemeinde ist gleichzeitig ein Stück Industriegeschichte. Firmen wie die Baumwollspinnerei in Unterhausen oder die Honauer Tobelmühle haben der lokalen Historie ihren Stempel aufgedrückt.

So stellte die im Volksmund, »Dobelmühle« genannte Fabrik Holzspan Erzeugnisse her. Holzwolle aus Honau war begehrtes Verpackungsmaterial. »Einzigartig war die Produktion von Klärspänen auf einer speziell dafür entwickelten Schälmaschine«, belichtet Gert Lindemann. Die Späne dienten Bierherstellern als Klärmittel zum Abtrennen von Hefe und Verunreinigungen, was letztlich die Haltbarkeit des Gerstensaftes gewährleistete. Die letzten Späne verließen 1965 die Tobelmühle.

Die Honauer Schälmaschine steht heute gut erhalten im Mannheimer Industriemuseum. Von dort so hofft man insgeheim in Lichtenstein könnte sie eines Tages wieder in die angestammte Heimat zurückkehren. Denn als die Lokalhistoriker im. vorigen Jahr Mannheim besuchten, deutete die Museumsleitung eine eventuelle Rückgabe der Maschine an. Das gute Stück soll allerdings erst dann nach Lichtenstein gelangen, wenn dafür geeignete Ausstellungsräume geschaffen sind.

Fürs Echaztal kommt nur ein Industriemuseum in Frage, soviel steht für Vereinssprecher Lindemann fest. »Wir wollen nicht die dritte oder vierte Kopie eines Heimatmuseums sein«, erklärt der Pressereferent. Mangels Finanzen bleibt der Wunsch vom eigenen Museum vorerst Zukunftsmusik. Zwar hatte der Verein anfangs insgeheim mit dem ehemaligen Ballenzentrum der Baumwollspinnerei geliebäugelt. Gert Lindemann räumt jedoch ein: »Der Traum war zu kühn. Aber etwas in der Richtung könnte man sich vorstellen«. Als kleiner Lagerraum dient einstweilen der alte Farrenstall.

Viel näher als ein Lichtensteiner Museum liegt der Gedanke an eine Ortschronik. die der Verein als Buch herausgeben möchte. Wertvolle Vorarbeit haben auf diesem Gebiet bereits Elfriede Vöhringer mit ihrem Werk »900 Jahre Lichtenstein« und der ehemalige Gemeindearchivar Paul Schweizer mit einem Bildband geleistet. Schweizers Nachfolger im Ehrenamt ist Wilhelm Reiff, der einen Großteil seiner Freizeit dem Verein widmet. »Wir sind froh, daß wir den Wilhelm haben«, lobt Gert Lindemann den Archivar. Als Ansprechpartner und Vermittler verfügt Reiff über den heißesten Draht zu verborgenen Geschichtsquellen.

Trotzdem ist der Verein ständig auf der Suche nach zeitgenössischen Dokumenten oder historischen Fotos. Erste Erfolge brachte ein »Tag der offenen Tür« im Juni. Damals reproduzierten die Geschichtsexperten mitgebrachte Fotos per Kamera. Mit dem aufmerksamen Bürgern sorgsam gehegten Bildmaterial geht der Verein vorsichtig um. »Wichtig ist, daß die Leute Vertrauen fassen«, weiß Gert Lindemann.

In nächster Zeit wollen die an der Ortsgeschichte Interessierten ihm Arbeit auf einst florierende Unternehmen wie die Baumwollspinnerei Unterhausen konzentrierten. »Da ist noch relativ wenig im Archiv«, sagt Schriftführer Lindemann und hofft auf die tatkräftige Unterstützung der Lichtensteiner. In der Ludwigstraße Nummer acht wird unterdessen weiter geforscht, was das Zeug hält. Wer dort allerdings Schätze von hohem Wert vermutet, sieht sich getäuscht. Denn die historischen Kleinodien hat der Geschichtsverein längst dem Gemeindearchiv übergeben.

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Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein e.V., Ludwigstraße 8, 72805 Lichtenstein