Lichtensteins Lokalhistoriker erforschen Anfänge
der Industrie
Heißer Draht zur Geschichte
Lichtenstein. ( mat) Freitagabend, Feierabend in
Unterhausen? Mitnichten: die Räume im Erdgeschoß der Ludwigstraße Nummer acht
gleichen erst nach 20 Uhr einem Stock emsiger Bienen. Lichtensteins
Vergangenheit bis in den letzten Winkel ausleuchten, das hat sich der örtliche Geschichts- und Heimatverein vor vier Jahren als Ziel gesetzt. Seither
erfassen und erforschen die an ihrer Historie interessierten Lichtensteiner
alles, was Ihnen an Dokumenten über die Teilorte Holzelfingen, Honau und
Unterhausen in die Hände gelangt. In absehbarer Zeit wollen die Hobbyforscher
eine Ortschronik als Buch veröffentlichen.
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Die alte
Ballenpresse in der Honauer Tobelmühle: Teile der Anlage zur
Herstellung von Holzwolle und Klärspänen stehen heute im
Mannheimer Industriemuseum. Traum des Lichtensteiner
Geschichtsvereins ist es, diese Geräte einst in einem eigenen
Ausstellungsraum zeigen zu können. GEA-Archivfoto: Zenke |
»Wir wollen kein Debattierclub
sein", sagt Gert Lindemann vom Geschichtsverein. Die Lichtensteiner
forschen zwar »nur« nach Feierabend. Dafür sind die rund 120
Vereinsmitglieder fleißige Spezialisten in puncto Vergangenheit. Ihr
Hauptaugenmerk richten die Geschichtsfreunde vier Jahre nach der
Vereinsgründung auf die Industrialisierung des oberen Echaztals. Nicht
ohne Grund, denn die Geschichte der Gemeinde ist gleichzeitig ein Stück
Industriegeschichte. Firmen wie die Baumwollspinnerei in Unterhausen oder
die Honauer Tobelmühle haben der lokalen Historie ihren Stempel
aufgedrückt.
So stellte die im Volksmund, »Dobelmühle«
genannte Fabrik Holzspan Erzeugnisse her. Holzwolle aus Honau war
begehrtes Verpackungsmaterial. »Einzigartig war die Produktion von
Klärspänen auf einer speziell dafür entwickelten Schälmaschine«,
belichtet Gert Lindemann. Die Späne dienten Bierherstellern als
Klärmittel zum Abtrennen von Hefe und Verunreinigungen, was letztlich die
Haltbarkeit des Gerstensaftes gewährleistete. Die letzten Späne
verließen 1965 die Tobelmühle.
Die Honauer Schälmaschine steht heute gut
erhalten im Mannheimer Industriemuseum. Von dort so hofft man insgeheim in
Lichtenstein könnte sie eines Tages wieder in die angestammte Heimat
zurückkehren. Denn als die Lokalhistoriker im. vorigen Jahr Mannheim
besuchten, deutete die Museumsleitung eine eventuelle Rückgabe der
Maschine an. Das gute Stück soll allerdings erst dann nach Lichtenstein
gelangen, wenn dafür geeignete Ausstellungsräume geschaffen sind.
Fürs Echaztal kommt nur ein
Industriemuseum in Frage, soviel steht für Vereinssprecher Lindemann
fest. »Wir wollen nicht die dritte oder vierte Kopie eines Heimatmuseums
sein«, erklärt der Pressereferent. Mangels Finanzen bleibt der Wunsch
vom eigenen Museum vorerst Zukunftsmusik. Zwar hatte der Verein anfangs
insgeheim mit dem ehemaligen Ballenzentrum der Baumwollspinnerei
geliebäugelt. Gert Lindemann räumt jedoch ein: »Der Traum war zu kühn.
Aber etwas in der Richtung könnte man sich vorstellen«. Als kleiner
Lagerraum dient einstweilen der alte Farrenstall.
Viel näher als ein Lichtensteiner Museum
liegt der Gedanke an eine Ortschronik. die der Verein als Buch herausgeben
möchte. Wertvolle Vorarbeit haben auf diesem Gebiet bereits Elfriede
Vöhringer mit ihrem Werk »900 Jahre Lichtenstein« und der ehemalige
Gemeindearchivar Paul Schweizer mit einem Bildband geleistet. Schweizers
Nachfolger im Ehrenamt ist Wilhelm Reiff, der einen Großteil seiner
Freizeit dem Verein widmet. »Wir sind froh, daß wir den Wilhelm haben«,
lobt Gert Lindemann den Archivar. Als Ansprechpartner und Vermittler
verfügt Reiff über den heißesten Draht zu verborgenen
Geschichtsquellen.
Trotzdem ist der Verein ständig auf der
Suche nach zeitgenössischen Dokumenten oder historischen Fotos. Erste
Erfolge brachte ein »Tag der offenen Tür« im Juni. Damals
reproduzierten die Geschichtsexperten mitgebrachte Fotos per Kamera. Mit
dem aufmerksamen Bürgern sorgsam gehegten Bildmaterial geht der Verein
vorsichtig um. »Wichtig ist, daß die Leute Vertrauen fassen«, weiß
Gert Lindemann.
In nächster Zeit wollen die an der
Ortsgeschichte Interessierten ihm Arbeit auf einst florierende Unternehmen
wie die Baumwollspinnerei Unterhausen konzentrierten. »Da ist noch
relativ wenig im Archiv«, sagt Schriftführer Lindemann und hofft auf die
tatkräftige Unterstützung der Lichtensteiner. In der Ludwigstraße
Nummer acht wird unterdessen weiter geforscht, was das Zeug hält. Wer
dort allerdings Schätze von hohem Wert vermutet, sieht sich getäuscht.
Denn die historischen Kleinodien hat der Geschichtsverein längst dem
Gemeindearchiv übergeben. |