»Saumäßige Liebe«
Ein Abend mit Trudel Wulle und Walter
Schultheiß in Unterhausen
Von Hans Schenk
Lichtenstein. (GEA) »Der Karle isch net
nur oi Karle, sondern zwoi Karle - manchmol denk i sogar, daß es drei send«, hat der
Karle zu seiner Frau gesagt. Ja, der Karle der hat's in sich. »Oigasennig isch der Kerle,
net zum aushalta! Was andere saget, interessiert den doch net. Der Karle wois zwar nix,
aber des ganz genau.« So wie der die Dinge sieht, »so send se au. Basta!«
Karle ist der Schwabe an sich. Nichts bringt den außer Fassung - außer seine Frau. Denn
die isch no schwäbischer als er selber. Das Publikum liegt flach unter einer Lachsalve.
Deutschland deine Schwaben! Trudel Wulle und Walter Schultheiß führen sie vor - auf der
Bühne und vor sich selbst. Walter Schultheiß, alias Karle, lächelt maliziös von der
Bühne ins Parkett des Unterhausener Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehauses: »Vielen Dank
für den schizophrenen Applaus«.
Der Mundartskeptiker mag am Freitagabend bekehrt heimgekehrt
sein. Es gibt sie doch, die schwäbischen Abende mit selbstironischem Biß jenseits der
Klischees und domestizierten Witze. Nicht daß Schultheiß und Wulle auf die wohlfeilen
Gags verzichtet hätten - dazu lieben die beiden Bühnenprofis den Applaus zu sehraber es
steckte doch immer etwas dahinter. Zumindest waren sie hinreißend komisch. Gelacht werden
durfte auf mehreren Niveaus. Daß die feministische Brille bei den Texten von Friedrich A.
Schiler, Barbara Sobek, Raimund Ritter und Walter Schultheiß gelegentlich angelaufen sein
dürfte, soll aber nicht verschwiegen werden. Denn die Dramaturgie der schwäbischen
Valentinaden lebt nicht selten davon, daß ein Irrer auf einen Dummen trifft, und
letzterer ist halt oft em Karle sei Frau.
So isch se halt, die Mundartkunscht, und net jeder kann se
vertraga. Wie auch immer, gut beraten waren am Freitagabend sicher jene, die ihre
Spezialoptiken zu Hause gelassen hatten und den Blick selbstironisch nach innen wandten.
Nicht nur für Schwaben empfehlenswert, denn ein Schwabe sitzt in jedem - mehr oder
weniger.
Wer ist nicht manchmal ignorant bis zur Schwerhörigkeit, wie der
gute Mann, der der Putzfrau partout nicht abnehmen will, daß der Arzt im Urlaub ist?
Schwätzt man nicht ständig aneinander vorbei, weil man einfach nicht zuhören kann, und
in der eigenen Miniwelt alles so schön logisch ist außer den falschen Voraussetzungen?
Geht's einem nicht manchmal wie dem Karle, der sich nicht traut eine Gehaltserhöhung zu
verlangen, aber mächtig stolz ist, wenn ihn »dr Chef em Aufzug aspricht, mit Nama!«.
Lassen sich unter anderen Volksstämmen vielleicht noch
notorische Nörgler finden, mit einer sprachlichen Besonderheit sind die Schwaben allein
im Universum - abgesehen von den Bayern. Sie kennen kein Wort für Liebe und müssen die
zugegebenermaßen wichtige Angelegenheit mit Begriffen aus dem Wortfeld Speis und Trank
bewältigen. »I mag mein Karle. Ich liebe dich, sagt ma im schwäbischen ja net«, sagt
dem Karle sei Frau.
Trudel Wulle weiß schon: »Ich glaub', daß >I mag Di< des
gleiche ausdrückt wie >Ich liebe Dich<«, meint sie nach der Vorstellung. Ein
»saumäßig« müsse für die gleiche Ausdruckstiefe aber schon noch dazu kommen,
sinniert dagegen Walter Schultheiß.
Das Duo ist übrigens im Januar wieder bei den 20. Mundartwochen
in Reutlingen dabei. Wer also die Veranstaltung des Geschichts- und Heimatvereins
Lichtenstein am Freitagabend verpaßt hat, kann sich ja dort in die »Sorgen und Nöte des
Schwabentums« vertiefen. |