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Reutlinger Generalanzeiger:
Pfullingen/Eningen/Lichtenstein / 01.10.2004

Reutlinger Generalanzeiger

Wirtshausgeschichte(n) - Die Staufenburg war ein ganz prächtiges Hotel. Aber die Behörden untersagten den Betrieb

Eine Gefahr fürs öffentliche Wohl

VON GERT LINDEMANN 

LICHTENSTEIN. Die Geschichte des Gastgewerbes im Ort hat der Lichtensteiner Geschichts- und Heimatverein aufgearbeitet. Im Mittelpunkt der heutigen Folge steht die Staufenburg, die eigentlich mal ein Hotel werden sollte.

Die Staufenburg auf einer Postkarte aus dem Jahr 1926. Damals war dort ein Walderholungsheim untergebracht. FOTO: Archiv GHV
Die Staufenburg auf einer Postkarte aus dem Jahr 1926. Damals war dort ein Walderholungsheim untergebracht. FOTO: PR

Die Staufenburg wurde 1913 vom Malermeister Johannes Keppler aus Pfullingen gebaut. Bereits kurz nach seiner Fertigstellung im Sommer 1913, lobte Karl Launer das "neue Kurhaus Staufenburg im schönen Zellertal" in den Blättern des Schwäbischen Albvereins in den höchsten Tönen:
     "Es macht durch seine schöne Bauart schon von außen einen sehr guten Eindruck. Umgeben von Terrassen, mit großartiger Ausschau, befinden sich im unteren Stock 1 größeres und 2 kleinere Wirtschaftszimmer. Die innere Einrichtung ist in braunen Farben gehalten, an den Wänden auf halber Höhe Stoffbespannungen, so dass das Ganze fein abgestimmt ist. Oben sind die Fremdenzimmer weich und mollig eingerichtet, der Neuzeit entsprechend mit allem versehen. Wohl mancher, der längere Zeit in diesen Räumen geweilt hat, wird seine Schritte immer wieder gern an dieses Plätzchen lenken."

Isolierte Lage

Sehr zum Leidwesen Kepplers wurde ihm die Konzession für den geplanten Hotelbetrieb nicht erteilt. In seiner Beschwerde gegen die Ablehnung hatte sich Keppler auf das Waldcafé in Pfullingen berufen, das eine Konzession in ähnlich isolierter Lage erhalten habe, und auf die gleiche Behandlung vor dem Gesetz hingewiesen. Ursprünglich als Hotelpension für Kur- und Sportgäste errichtet, mit Kaffee, alkoholfreien Weinen, Limonade und Mineralwasser im Ausschank, verzichtete Keppler im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens dann auf die Beherbergung von Fremden.

Keine Überwachung möglich

Doch zeigten auch diese Abstriche nicht den gewünschten Erfolg. Das Amt blieb hart. Die Beschwerde Kepplers auf die Ablehnung seitens des Oberamts wurde jedoch durch die Regierung für den Schwarzwald-Kreis als unbegründet verworfen. Im "Rekursbescheid" vom 21. Nov. 1913 wurde die Frage, ob das zum Wirtschaftsbetrieb bestimmte Lokal den polizeilichen Anforderungen genüge, verneint, "da bei der isolierten Lage eine ausreichende Überwachung durch die in der Gemeinde Unterhausen zur Verfügung stehenden Polizeiorgane nicht gesichert sei."
     Eine genügende Überwachung sei aber "fast unmöglich, da in der Gemeinde Unterhausen nur ein einziger Polizeidiener angestellt" sei. Dieser Ausführung hat der Bezirksrat entgegengehalten, dass "eine weitere Überhandnahme solcher abgelegenen Wirtschaften eine Gefahr für das öffentliche Wohl" bilden würde und daher "mit allen Mittel verhütet" werden müsse.
     Im vorliegenden Falle sei zudem "eine schärfere Überwachung mit Rücksicht auf die in der Nähe wohnenden ausländischen Spinnereiarbeiter, die ständige Besucher der Wirtschaft wären, geboten".
     Kreisregierung und Bezirksrat hielten daran fest, "daß mit den im Echaztal und seiner Umgebung vorhandenen und in neuerer Zeit ausnahmsweise zugelassenen Wirtschaften in isolierter Lage den auftretenden Bedürfnissen in weitgehendem Maße Rechnung getragen ist."

Missglückter Start

Nach diesem missglückten Start kam das Anwesen bereits im Februar 1914 unter den Hammer. In der Zwangsversteigerung haben acht Bauhandwerker aus Pfullingen, Eningen und Reutlingen, die wahrscheinlich noch Ansprüche an den Bauherrn hatten, das Anwesen übernommen. Das Gebäude diente dann Wohnzwecken.

Otto Schönwälder, Maschinenbauer, kaufte das Gebäude im März 1919. Der Kassenverband im Bezirk des Versicherungsamts Reutlingen (Allgemeine Ortskrankenkasse) erwarb Ende 1925 das Anwesen und richtete ein Erholungsheim ein. Im Juli 1935 wurde das Gebäude von der NSDAP erworben und darin eine Schulungsstätte für den "BdM" (Bund deutscher Mädchen", eingerichtet.

Nach Kriegsende diente die Staufenburg als Heim für Kinder der französischen Besatzungsangehörigen. Der Kreisverband Reutlingen (heute Landkreis Reutlingen) kaufte das Anwesen im Juli 1950. Bei dem umfassenden Umbau zur Einrichtung eines Kinderheims erhielt die Staufenburg ihr heutiges Aussehen. Träger des Kinderheims waren nach dem Landkreis der Paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutsche Rote Kreis. In jüngster Vergangenheit diente die Staufenburg dem Landkreis als Übergangswohnheim unter anderem auch für die kurz vor der Wende über Ungarn eingereisten ostdeutschen Mitbürger. (GEA)

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