Wirtshausgeschichte(n) - Die Staufenburg war
ein ganz prächtiges Hotel. Aber die Behörden untersagten den Betrieb
Eine Gefahr fürs öffentliche Wohl
VON
GERT LINDEMANN
LICHTENSTEIN. Die Geschichte
des Gastgewerbes im Ort hat der Lichtensteiner Geschichts- und
Heimatverein aufgearbeitet. Im Mittelpunkt der heutigen Folge steht die
Staufenburg, die eigentlich mal ein Hotel werden sollte.
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Die Staufenburg auf einer
Postkarte aus dem Jahr 1926. Damals war dort ein Walderholungsheim
untergebracht. FOTO: PR |
Die Staufenburg wurde 1913 vom
Malermeister Johannes Keppler aus Pfullingen gebaut. Bereits kurz nach
seiner Fertigstellung im Sommer 1913, lobte Karl Launer das "neue
Kurhaus Staufenburg im schönen Zellertal" in den Blättern des
Schwäbischen Albvereins in den höchsten Tönen:
"Es macht durch seine
schöne Bauart schon von außen einen sehr guten Eindruck. Umgeben von
Terrassen, mit großartiger Ausschau, befinden sich im unteren Stock 1
größeres und 2 kleinere Wirtschaftszimmer. Die innere Einrichtung ist in
braunen Farben gehalten, an den Wänden auf halber Höhe
Stoffbespannungen, so dass das Ganze fein abgestimmt ist. Oben sind die
Fremdenzimmer weich und mollig eingerichtet, der Neuzeit entsprechend mit
allem versehen. Wohl mancher, der längere Zeit in diesen Räumen geweilt
hat, wird seine Schritte immer wieder gern an dieses Plätzchen
lenken."
Isolierte Lage
Sehr zum Leidwesen Kepplers wurde
ihm die Konzession für den geplanten Hotelbetrieb nicht erteilt. In
seiner Beschwerde gegen die Ablehnung hatte sich Keppler auf das Waldcafé
in Pfullingen berufen, das eine Konzession in ähnlich isolierter Lage
erhalten habe, und auf die gleiche Behandlung vor dem Gesetz hingewiesen.
Ursprünglich als Hotelpension für Kur- und Sportgäste errichtet, mit
Kaffee, alkoholfreien Weinen, Limonade und Mineralwasser im Ausschank,
verzichtete Keppler im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens dann
auf die Beherbergung von Fremden.
Keine Überwachung möglich
Doch zeigten auch diese Abstriche
nicht den gewünschten Erfolg. Das Amt blieb hart. Die Beschwerde Kepplers
auf die Ablehnung seitens des Oberamts wurde jedoch durch die Regierung
für den Schwarzwald-Kreis als unbegründet verworfen. Im
"Rekursbescheid" vom 21. Nov. 1913 wurde die Frage, ob das zum
Wirtschaftsbetrieb bestimmte Lokal den polizeilichen Anforderungen
genüge, verneint, "da bei der isolierten Lage eine ausreichende
Überwachung durch die in der Gemeinde Unterhausen zur Verfügung
stehenden Polizeiorgane nicht gesichert sei."
Eine genügende Überwachung sei
aber "fast unmöglich, da in der Gemeinde Unterhausen nur ein
einziger Polizeidiener angestellt" sei. Dieser Ausführung hat der
Bezirksrat entgegengehalten, dass "eine weitere Überhandnahme
solcher abgelegenen Wirtschaften eine Gefahr für das öffentliche
Wohl" bilden würde und daher "mit allen Mittel verhütet"
werden müsse.
Im vorliegenden Falle sei zudem
"eine schärfere Überwachung mit Rücksicht auf die in der Nähe
wohnenden ausländischen Spinnereiarbeiter, die ständige Besucher der
Wirtschaft wären, geboten".
Kreisregierung und Bezirksrat
hielten daran fest, "daß mit den im Echaztal und seiner Umgebung
vorhandenen und in neuerer Zeit ausnahmsweise zugelassenen Wirtschaften in
isolierter Lage den auftretenden Bedürfnissen in weitgehendem Maße
Rechnung getragen ist."
Missglückter Start
Nach diesem missglückten Start
kam das Anwesen bereits im Februar 1914 unter den Hammer. In der
Zwangsversteigerung haben acht Bauhandwerker aus Pfullingen, Eningen und
Reutlingen, die wahrscheinlich noch Ansprüche an den Bauherrn hatten, das
Anwesen übernommen. Das Gebäude diente dann Wohnzwecken.
Otto Schönwälder,
Maschinenbauer, kaufte das Gebäude im März 1919. Der Kassenverband im
Bezirk des Versicherungsamts Reutlingen (Allgemeine Ortskrankenkasse)
erwarb Ende 1925 das Anwesen und richtete ein Erholungsheim ein. Im Juli
1935 wurde das Gebäude von der NSDAP erworben und darin eine
Schulungsstätte für den "BdM" (Bund deutscher Mädchen",
eingerichtet.
Nach Kriegsende diente die
Staufenburg als Heim für Kinder der französischen
Besatzungsangehörigen. Der Kreisverband Reutlingen (heute Landkreis
Reutlingen) kaufte das Anwesen im Juli 1950. Bei dem umfassenden Umbau zur
Einrichtung eines Kinderheims erhielt die Staufenburg ihr heutiges
Aussehen. Träger des Kinderheims waren nach dem Landkreis der
Paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutsche Rote Kreis. In jüngster
Vergangenheit diente die Staufenburg dem Landkreis als Übergangswohnheim
unter anderem auch für die kurz vor der Wende über Ungarn eingereisten
ostdeutschen Mitbürger. (GEA)
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