Wasserkraft - Hundert
Meter nach dem Ursprung treibt die junge Echaz Mahl- und Räderwerke an
Schon an der Quelle bärenstark
VON GERT
LINDEMANN
LICHTENSTEIN.
»Wer eine herrliche Wasserquelle sehen will, komm' mit zur
Echatzquelle. Kaum mehr als tausend Schritte ob dem Dorfe Honau sprudelt
sie hervor, nahe der alten Dobelmühle, auf die rechts aus stolzer Höhe
das Schlösslein Lichtenstein, links die zackigen Felsen des Traifelbergs
herniederschauen.«
Romantisch
verklärt beschreibt Karl Rommel im Reutlinger Heimatbuch aus dem Jahre
1918 den Ort, an dem die Lebensader des umtriebigen Seitentales am Trauf
der Schwäbischen Alb ihren Ursprung nimmt. Eine Ausstellung des
Lichtensteiner Geschichts- und Heimatvereins im »Alten Schulhaus
Oberhausen« belegt derzeit die bereits frühzeitig erfolgte vielfache
Nutzung der Wasserkraft der Echaz.
Die Echaz
versorgt nicht nur seit jeher viele Brunnen mit Trinkwasser; der kleine
Fluss, eben erst dem Berg entsprungen, entwickelt bereits wenige hundert
Meter nach seiner Quelle eine Kraft, die ausreichte, zahlreiche Mahlwerke
von Getreidemühlen und Räderwerke von Handwerks- und später
Industriebetrieben anzutreiben. Schon vor über 900 Jahren spielten die »drei
Mühlen zu Husin«, die Graf Liutold von Achalm 1089 dem von ihm und
seinem Bruder gegründeten Benediktinerkloster Zwiefalten übereignete,
eine Rolle.
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Historische
Ansicht der Dobelmühle, die die Kraft des Echazwassers nutzte.
(FOTO: PR) |
Erste Hinweise
Aus der
Ortsamtbeschreibung von 1893 geht unter anderem hervor, dass in Honau von
alters her das Mühlengewerbe bestanden hat. Erste Hinweise datieren aus
dem Jahre 1206. Honau gehörte von 949 bis 1717 zum Bistum Chur. Eine im
churischen Besitz in Honau befindliche Mühle ging 1206 von Ritter Walther
von Pfullingen an das Kloster Weissenau. 1263 tauschte das Kloster
Weissenau die Mühle »in clivo de Hohenowe« gegen Güter und Rechte in
Bernhausen an Ludwig von Lichtenstein.
Laut
Steuerbuch von 1629 hatte die Familie von Neuhausen in Honau acht Lehen,
von denen das bedeutendste in der »Unteren Mühle« (Honau) samt
Feilenschmiede bestand. Im 19. Jahrhundert wurde die Wasserkraft der Echaz
intensiver genutzt als je zuvor: Zwischen Quelle und Mündung des Flusses
in den Neckar arbeitete 1860 durchschnittlich alle 300 Meter ein Mühlwerk
oder eine wasserkraftbetriebene Fabrik.
1909
wurden 73 Wasserwerke gezählt; 70 davon auf dem Gebiet des Oberamts
Reutlingen. Jede Anlage erhielt eine Triebwerksnummer, die für heute
bestehende Mühlwerke noch immer gültig ist. Die der Quelle am nächsten
liegende Dobelmühle in Honau erhielt die Nummer T1, die
Transmissionsanlage der Baumwollspinnerei Unterhausen erhielt die Nummer T
14.
Historische Originale
Die ursprünglichen
großen Textilindustrieansiedlungen, die den Charakter des Oberen
Echaztales ab dem 19. Jahrhundert so drastisch veränderten, haben
inzwischen anderen Firmen und Gewerken Platz gemacht. Doch noch immer
geben an vielen Orten unseres Tals zahlreiche zum Teil noch aktive
Turbinen, Mühlen und Brunnen Zeugnis von der Bedeutung der Lebensader
Echaz für die Entwicklung der Menschen und ihrer Lebensumstände.
Für
die Ausstellung, die die rührigen Hobby-Historiker unter der Regie der
inzwischen zu »Mühlenexperten« avancierten Aktiven Gerhard Weisschuh
und Günter Frick in den Räumen im Alten Schulhaus zusammengestellt
haben, wurden eine Vielzahl unterschiedlichster Quellen angezapft.
Recherchen
im Reutlinger Stadtarchiv und in den Lichtensteiner Gemeindearchiven
lieferten historisch gesicherte Details. Als wahre Fundgruben für
Lebensbeschreibungen erwiesen sich Berichte, Dokumente und Gegenstände
aus der Hand der Familien, deren Vorfahren ihren Lebenserwerb durch die
Wasserkraft bestritten.
Die
Besucher erwarten daher Schautafeln zur Geschichte der einzelnen Gewerke.
Diese werden ergänzt durch zahlreiche historischer Originale, wozu auch
der Ringanker-Dynamo zählt, der 1884 die erst zehn Jahre zuvor entdeckte
Olgahöhle als erste Schauhöhle mit elektrischem Licht versorgte. (GEA) |