Mundart - Der
Rottenburger Peter Nagel rezitiert Gedichte von Sebastian Blau beim
Geschichtsverein in Unterhausen. Texte im Stau auf der B 27 auswendig
gelernt
»Schwätz net so wüscht«
VON ANKE LEUSCHKE
LICHTENSTEIN-UNTERHAUSEN.
»Ich bin hier, um Ihnen heute Abend etwas in Schwäbisch
zu erzählen«, begrüßt Peter Nagel seine Gäste im perfekten
Rottenburger Schwäbisch. Der Geschichtsverein Lichtenstein hat
zum traditionellen Mundartabend geladen. Das Interesse ist groß,
der Saal im Unterhausener Gemeindehaus gut gefüllt. Gedichte und
Prosa von Josef Eberle, alias Sebastian Blau, stehen auf dem
Programm.
Von der Mutter gescholten, wurde Eberle in seiner Kindheit immer
angehalten, er solle nicht »wiaschtes Raoteburgerisch
schwätzen«. Eberle habe sich jedoch jeden Moment damit
identifiziert. »Schwätz net so wüscht«, könnte es damals
geheißen haben, mutmaßt Nagel. »Auch als Schwob ist es
schwierig, die Gedichte zu lesen«, erklärt der Blau-Kenner,
»besser ist's, wenn man sie hören kann.«
Josef Eberle war gelernter Buchhändler und schrieb bereits in
seiner Jugend lateinische Gedichte. Nach einem Schreibverbot in
der NS-Zeit veröffentlichte der ehemalige Verleger der
Stuttgarter Zeitung unter verschiedenen Pseudonymen Deutsches,
Lateinisches und Schwäbisches, das Letztere unter Sebastian
Blau. |
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Seinem Vorbild sieht er sehr ähnlich:
Peter Nagel rezitierte beim Geschichtsverein Lichtenstein in
Unterhausen Gedichte von Sebastian Blau |
Sieben Gedichtbände erschienen, über seine Heimatstadt, mit Lustigem,
Scharfsinnigem, aber auch mit Derbem. Sebastian-Blau-Kenner Peter Nagel
trägt aus ihnen gut 90 Minuten frei vor.
Für die knapp 100 Gäste im Gemeindehaus gibt es viel zu lachen, und
Rottenburger Geschichte, verpackt in zahlreichen Anekdoten, zu erleben.
Geboten wird ein Exkurs ins schwäbische Lebensgefühl sowie Episoden mit
allerlei Seitenhieben, zum Beispiel auf die evangelischen Nachbarn oder
die Badener bis hin zum Sülcher Friedhof, auf dem Eberle alias Blau 1986
dann auch bestattet wurde. Doch der Dichter habe nicht nur Humorvolles
produziert, sagt Nagel. Als Beispiel nennt er das Gedicht »St. Nepumuk«.
Darin geht es um ein Zwiegespräch mit dem Heiligen St. Nepomuk, einer
Statue auf der Neckarbrücke in Rottenburg, welche anlässlich seines 75.
Geburtstags in Josef-Eberle-Brücke umbenannt woren war.
Bei einem solchen Vortrag dürfe der Klassiker, »D'r Necker« nicht
fehlen, betont Nagel. Eberle sei ein guter Beobachter gewesen, »und das
hat er ganz lebendig aufgeschrieben«. Ein gutes Beispiel seien
Redewendungen, die zum Teil noch heute im schwäbischen Vokabular
vorhanden sind.
Die Lachmuskeln der Lichtensteiner werden an diesem Abend gut
strapaziert. Peter Nagel hat eine ganz eigene unterhaltsame Vortragsart.
Mit viel Leidenschaft und Herzblut vermag er die Zuschauer in seinen
Bann zu ziehen und so wird der Blau-Abend für die Gäste zu einem echten
Ohrenschmaus.
Peter Nagel, selbst Rottenburger und passionierter Berufspendler, nutzte
die Zeit im Stau auf der B 27 und lernte die Gedichte von Sebstian Blau
auswendig und zu rezitieren. »Dies hat er dann kultiviert«, erzählt Gert
Lindemann vom Geschichtsverein. Heute ist Nagel ein gefragter
Blau-Rezitator. (GEA)
http://gv-lichtenstein.blogspot.com
sowie www.ghv-lichtenstein.de
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