Schwäbischer Alltag in Szene gesetzt
Trudel Wulle und Walter Schultheiß zu Gast beim Geschichts-
und Heimatverein
LICHTENSTEIN. Fast schon traditionell bot
der Geschichts-und Heimatverein Lichtenstein seinen Mitgliedern und Freunden auch In
diesem Jahr wieder "Ebbes Schwäbisch's em November". Keine geringeren als das
prominente Künstlerehepaar Trudel Wulle und Walter Schultheiß waren jetzt zu Gast im
Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus. Die begehrten Eintrittskarten waren bereits nach kurzer
Zeit ausverkauft. Nicht ohne Stolz bemerkte Gert Lindemann, der für die
Öffentlichkeitsarbeit Im Verein zuständig ist, in seiner Begrüßung der über 200
Gäste, daß das Evangelische Gemeindehaus wahrscheinlich noch nicht einmal bei seiner
Einweihung so voll gewesen sei.
Ermutigt von der zunehmenden Popularität ihrer
herbstlichen Mundartabende, sagten sich die Verantwortlichen des Vereins: Es wäre doch
gelacht, wenn es nicht auch einmal gelänge, die beiden Renommierschwaben Trudel Wulle und
Walter Schultheiß zu einer Lesung ins obere Echaztal zu engagieren. Doch wie kommt man an
so gefragte Persönlichkeiten heran? Praktischen Rat wußte hier Lindemanns Ehefrau
Dorothee: "Ruf se halt o'!'' Nach eigenem Bekunden war Lindemann selbst ganz
überrascht, als Walter Schultheiß am Telefon spontan zusagte: "Des könna mr
macha!" Die beiden weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Künstler
vorzustellen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Man denke nur an den gemäßigt
pietistischen Altpfarrer Merkle in "Oh Gott, Herr Pfarrer", den bibelfesten
Buchbinder Engstinger in "Pfarrerin Lenau", oder als ungekrönten "König
von Bärenbach". Figuren wie diese, die ihm der gleichfalls erfolgreiche
Schriftsteller und Drehbuchautor Felix Huby auf den Leib geschrieben hat, spielt
Schultheiß unübertroffen. Auch Trudel Wulle hatte in diesen Serien zwar kleinere Rollen,
in denen sie aber hervorragende Charakterstudien zeigte, und auf liebevolle Weise typisch
schwäbische Eigenschaften treffend ins rechte Licht rückte.
Weniger bekannt dürfte sein, daß beide Künstler ihrer Karriere
1947 als Operettensänger unter anderem in "Maske in Blau",
"Gasparone" und "Irn weißen Rössl" begonnen haben. Beide haben ihr
Handwerk von der Pike auf gelernt. Trudel Wulle studierte ihr Bühnenfach bei Prof. Else
Holle, Walter Schultheiß bei den Staatsschauspielern Kurt Junker und Mary Mönch-Lietz.
Die beiden leben und arbeiten bereits über 40 Jahre zusammen.
In ihrer Lesung im Evangelischen Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus
in Unterhausen porträtierte das Künstlerehepaar den schwäbischen Alltag. Teils
ironisch, teils bissig vorgetragen, trafen ihre Valentinaden, Anekdoten und Sketche in
schwäbischer Mundart aber auch immer wieder den weichen Kern der oftmals
fälschlicherweise als rau bezeichneten schwäbischen Seele.
Brillant in Szene gesetzt wurden die alltäglichen
Mißverständnisse zwischen Mann und Frau, wenn's um ein passendes Weihnachtsgeschenk
geht. Schwäbischer Starrsinn bringt den Moderator des beliebten Wunschkonzertes "Sie
wünschen, wir spielen" zur Verzweiflung: I ben Käs'händler, ond i möcht' gern des
Lied g'spielt han, wo se da Käs' raholet." Das Rätsel löst sich erst, als er
vorsingt: "Käs hera, 's hera". Auch die schwäbische Sparsamkeit wurde
karikiert: Wer ein Auto kauft, um das Fahrgeld für die Straßenbahn zu sparen oder ein
Haus baut um die Miete zu sparen oder ein Schwimmbad hat, um den Eintritt ins Freibad zu
sparen, der kann sich weitere Ersparnisse beim besten Willen nicht leisten.
Und auch das allseits beliebte Thema Finanzamt kommt nicht zu
kurz: Testamentarisch wird eine Feuerbestattung verfügt: I laß mi' verbrenna, aber erst
noch mei'm Tod, ond die Asche kommt en a Blechbix nei, ond die kriegt's Finanzamt mit
einem Zettel, und darauf steht: So, nun habt ihr alles!" Im Telefonsketch tituliert
Schultheiß einen alten Freund "Sauschwob, amerikanischer", als der ihm am Ende
eines längeren Telefonates aus Hollywood mitteilte, daß es sich um ein R-Gespräch
handelte. Nebenbei durften die Zuhörer erfahren, wie das immer beliebter werdende Handy
zu seinem Namen kam ("Hän'die do koi Kabel no g'macht?"). Zurufe aus dem
Publikum konterte er spontan: "Send Sie verheiratet? Do sieht ma's, hier schwätzet
ällweil die, die d'rhoim net zu Wort kommet.
Das Selbstverständnis der Schwaben wird deutlich, wenn sich ein
Schwabe darüber beklagt, daß es um zwei Uhr nachts heftig an seine Hotelzimmertür
klopft und jemand davor tobt wie ein Wilder, daß fast das ganze Hotel davon aufwacht. Auf
die Frage, was er daraufhin unternommen habe, antwortet er wie selbstverständlich:
"Gar nix! I hab' ganz ruhig weiter g'übt, auf meiner Trompet." Schwabenlogik
ist auch, wenn jemand der unbedingt die Zeitung von gestern lesen möchte, sie aber nicht
mehr findet, sagt: "No gibsch mr halt die von heut', no les' i se morga! " Seit
Willy Reichert hat wohl kaum mehr jemand den schwäbisch knitzen Hintersinn so treffend
ins Bild gesetzt.
Das Lichtensteiner Publikum war außer Rand und Band und entließ
die beiden erst nach fünf Zugaben. Im Anschluß gab's Trudel Wulle und Walter Schultheiß
zum Anfassen: Das Künstlerpaar hatte keinerlei Berührungsängste. Die beiden
Publikumslieblinge erfüllten im Anschluß an die Lesung noch geduldig die unzähligen
Autogrammwünsche und signierten am Büchertisch zahlreiche Exemplare des neuesten
Schultheiß-Buches "Die Alten spiel' ich gern." Die Verantwortlichen des
Geschichts- und Heimatvereins Lichtenstein sehen sich nach diesem Erfolg bestätigt, ihre
Mundartreihe "Ebbes Schwäbisch's em November" fortzusetzen. Der Reutlinger
Schriftsteller Wilhelm König, Initiator des "Mundartkabinetts", den der
Geschichtsverein ebenfalls zu seinen Gästen zählen durfte, hat sich in einem
Pausengespräch bereiterklärt, bei der Organisation einer der nächsten Mundartabende
mitzuwirken. |