Pressestimmen

 

Reutlinger Nachrichten / Südwestpresse:
Aus Stadt und Kreis Reutlingen / 23.11.1995

Reutlinger Nachrichten - Südwestpresse
 

Schwäbischer Alltag in Szene gesetzt

Trudel Wulle und Walter Schultheiß zu Gast beim Geschichts- und Heimatverein

 

LICHTENSTEIN.  Fast schon traditionell bot der Geschichts-und Heimatverein Lichtenstein seinen Mitgliedern und Freunden auch In diesem Jahr wieder "Ebbes Schwäbisch's em November". Keine geringeren als das prominente Künstlerehepaar Trudel Wulle und Walter Schultheiß waren jetzt zu Gast im Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus. Die begehrten Eintrittskarten waren bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. Nicht ohne Stolz bemerkte Gert Lindemann, der für die Öffentlichkeitsarbeit Im Verein zuständig ist, in seiner Begrüßung der über 200 Gäste, daß das Evangelische Gemeindehaus wahrscheinlich noch nicht einmal bei seiner Einweihung so voll gewesen sei.

Ermutigt von der zunehmenden Popularität ihrer herbstlichen Mundartabende, sagten sich die Verantwortlichen des Vereins: Es wäre doch gelacht, wenn es nicht auch einmal gelänge, die beiden Renommierschwaben Trudel Wulle und Walter Schultheiß zu einer Lesung ins obere Echaztal zu engagieren. Doch wie kommt man an so gefragte Persönlichkeiten heran? Praktischen Rat wußte hier Lindemanns Ehefrau Dorothee: "Ruf se halt o'!'' Nach eigenem Bekunden war Lindemann selbst ganz überrascht, als Walter Schultheiß am Telefon spontan zusagte: "Des könna mr macha!" Die beiden weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Künstler vorzustellen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Man denke nur an den gemäßigt pietistischen Altpfarrer Merkle in "Oh Gott, Herr Pfarrer", den bibelfesten Buchbinder Engstinger in "Pfarrerin Lenau", oder als ungekrönten "König von Bärenbach". Figuren wie diese, die ihm der gleichfalls erfolgreiche Schriftsteller und Drehbuchautor Felix Huby auf den Leib geschrieben hat, spielt Schultheiß unübertroffen. Auch Trudel Wulle hatte in diesen Serien zwar kleinere Rollen, in denen sie aber hervorragende Charakterstudien zeigte, und auf liebevolle Weise typisch schwäbische Eigenschaften treffend ins rechte Licht rückte.
     Weniger bekannt dürfte sein, daß beide Künstler ihrer Karriere 1947 als Operettensänger unter anderem in "Maske in Blau", "Gasparone" und "Irn weißen Rössl" begonnen haben. Beide haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. Trudel Wulle studierte ihr Bühnenfach bei Prof. Else Holle, Walter Schultheiß bei den Staatsschauspielern Kurt Junker und Mary Mönch-Lietz. Die beiden leben und arbeiten bereits über 40 Jahre zusammen.
     In ihrer Lesung im Evangelischen Johann-Jakob-Rösch-Gemeindehaus in Unterhausen porträtierte das Künstlerehepaar den schwäbischen Alltag. Teils ironisch, teils bissig vorgetragen, trafen ihre Valentinaden, Anekdoten und Sketche in schwäbischer Mundart aber auch immer wieder den weichen Kern der oftmals fälschlicherweise als rau bezeichneten schwäbischen Seele.
     Brillant in Szene gesetzt wurden die alltäglichen Mißverständnisse zwischen Mann und Frau, wenn's um ein passendes Weihnachtsgeschenk geht. Schwäbischer Starrsinn bringt den Moderator des beliebten Wunschkonzertes "Sie wünschen, wir spielen" zur Verzweiflung: I ben Käs'händler, ond i möcht' gern des Lied g'spielt han, wo se da Käs' raholet." Das Rätsel löst sich erst, als er vorsingt: "Käs hera, 's hera". Auch die schwäbische Sparsamkeit wurde karikiert: Wer ein Auto kauft, um das Fahrgeld für die Straßenbahn zu sparen oder ein Haus baut um die Miete zu sparen oder ein Schwimmbad hat, um den Eintritt ins Freibad zu sparen, der kann sich weitere Ersparnisse beim besten Willen nicht leisten.
     Und auch das allseits beliebte Thema Finanzamt kommt nicht zu kurz: Testamentarisch wird eine Feuerbestattung verfügt: I laß mi' verbrenna, aber erst noch mei'm Tod, ond die Asche kommt en a Blechbix nei, ond die kriegt's Finanzamt mit einem Zettel, und darauf steht: So, nun habt ihr alles!" Im Telefonsketch tituliert Schultheiß einen alten Freund "Sauschwob, amerikanischer", als der ihm am Ende eines längeren Telefonates aus Hollywood mitteilte, daß es sich um ein R-Gespräch handelte. Nebenbei durften die Zuhörer erfahren, wie das immer beliebter werdende Handy zu seinem Namen kam ("Hän'die do koi Kabel no g'macht?"). Zurufe aus dem Publikum konterte er spontan: "Send Sie verheiratet? Do sieht ma's, hier schwätzet ällweil die, die d'rhoim net zu Wort kommet.
     Das Selbstverständnis der Schwaben wird deutlich, wenn sich ein Schwabe darüber beklagt, daß es um zwei Uhr nachts heftig an seine Hotelzimmertür klopft und jemand davor tobt wie ein Wilder, daß fast das ganze Hotel davon aufwacht. Auf die Frage, was er daraufhin unternommen habe, antwortet er wie selbstverständlich: "Gar nix! I hab' ganz ruhig weiter g'übt, auf meiner Trompet." Schwabenlogik ist auch, wenn jemand der unbedingt die Zeitung von gestern lesen möchte, sie aber nicht mehr findet, sagt: "No gibsch mr halt die von heut', no les' i se morga! " Seit Willy Reichert hat wohl kaum mehr jemand den schwäbisch knitzen Hintersinn so treffend ins Bild gesetzt.
     Das Lichtensteiner Publikum war außer Rand und Band und entließ die beiden erst nach fünf Zugaben. Im Anschluß gab's Trudel Wulle und Walter Schultheiß zum Anfassen: Das Künstlerpaar hatte keinerlei Berührungsängste. Die beiden Publikumslieblinge erfüllten im Anschluß an die Lesung noch geduldig die unzähligen Autogrammwünsche und signierten am Büchertisch zahlreiche Exemplare des neuesten Schultheiß-Buches "Die Alten spiel' ich gern." Die Verantwortlichen des Geschichts- und Heimatvereins Lichtenstein sehen sich nach diesem Erfolg bestätigt, ihre Mundartreihe "Ebbes Schwäbisch's em November" fortzusetzen. Der Reutlinger Schriftsteller Wilhelm König, Initiator des "Mundartkabinetts", den der Geschichtsverein ebenfalls zu seinen Gästen zählen durfte, hat sich in einem Pausengespräch bereiterklärt, bei der Organisation einer der nächsten Mundartabende mitzuwirken.

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Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein e.V., Ludwigstraße 8, 72805 Lichtenstein