THEMA EINZELHANDEL / Von
18 Bäckereien und 20 Metzgerbetrieben blieb jeweils ein Betrieb übrig - 150 Fotografien
zeigen die Entwicklung des Ortes
Als ein Kuchenstück noch 25 Pfennig kostete
Von Norbert Leister
Zahlreiche Bilder, Ereignisse und Anekdoten aus
vergangenen Tagen kommen den alteingesessenen Lichtensteinern plötzlich wieder ins
Gedächtnis. Auslöser sind die Fotografien aus einem ganzen Jahrhundert, die der
Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein In mühevoller Kleinarbeit zu einer Ausstellung
zusammengestellt hat.
Zu sehen sind die 159 Fotos drei Wochen lang im Rathaus-Foyer.
UNTERHAUSEN "Vom viela Schwätze kriagt mer en ganz trockne Mund" bemerkte eine
Besucherin der Ausstellungseröffnung des Geschichts- und Heimatvereins Lichtenstein am
Samstagnachmittag.
Nur gut, daß die Veranstalter vorgesorgt hatten: Nach einer Sekt
und Orangensaftpause konnten sich auch die ausgedörrtesten Kehlen wiederum in die
Ausstellung stürzen, den aufkeimenden Erinnerungen hingeben und den zahlreichen Besuchern
mitteilen.
"Schau mol hier, kennsch des no?" "Des woiß i au
no, wia des Haus ausgseh hot." Bemerkungen wie diese waren aus vielen Ecken und von
mehreren Betrachtern der insgesamt mehr als 150 Fotografien zu hören.
Entwicklung
Die Bildmotive der Lichtensteiner Einzelhändler wecken
aber nicht nur Gedanken an die Vergangenheit. Eindeutig läßt sich auch eine Entwicklung
daran ablesen: "In den dreißiger Jahren gab es in Lichtenstein achtzehn Bäckereien
und zwanzig Metzgereien" berichtet Werner Vöhringer, Vorsitzender des Geschichts-
und Heimatvereins. Heute ist es jeweils nur noch ein ortsansässiger Metzger und ein
hiesiger Bäcker.
Wer die Vergangenheit kennt
Damit die vergangenen Zeiten nicht in Vergessenheit
geraten, haben die Mitglieder des Lichtensteiner Vereins diese Ausstellung gestaltet.
Denn: "Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft
mitgestalten" zitierte Lichtensteins stellvertretender Bürgermeister Jakob Buck der
Ausstellungseröffnung. "Durch die Fotografien wird die Vergangenheit wieder
lebendig."
Das bestätigt auch Gustav Vohrer: "In de dreißger Johr hot
a Stückle Kucha no 25 Pfennige koschtet." Und damals waren die Stücke doppelt so
groß wie heute.
Der 84jährige Vohrer präsentiert sich als authentischer
Zeitzeuge, dessen Gedächtnis hervorragend in Schuss ist: Von 1933 bis 1936 hat der
gelernte Bäcker in der Bäckerei Stephan Reiff gearbeitet.
Die beste schwarze Wurst im gesamten Echaztal gab's in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts beim Metzger Schwarz. Und die Reutlinger Mutschel hat Vohrer
persönlich in den USA bekannt gemacht, als er 1993 seine Schwester in Detroit besuchte,
bei einem Backwettbewerb mitgemacht und prompt den zweiten Preis gewonnen hat. Aber das
ist eine andere Geschichte.
Harter Kern
"Eineinhalb Jahre lang haben die Vorbereitungen für
die Ausstellung gedauert" sagt Vöhringer. Der harte Kern, bestehend aus sieben
unentwegt Engagierten, traf sich jeden Freitag, trug in der Freizeit Bildmaterial
zusammen, hat dieses begutachtet, vervielfältigt, beschriftet, gerahmt und aufgehängt.
Ein Großteil der Arbeit aber blieb an Winfried Reiff hängen: In seinem eigenen Fotolabor
hat er die Originalbilder kopiert. "Einen Fotoladen damit zu beauftragen, hätte die
finanziellen Möglichkeiten des Vereins überschritten" sagt der Vorsitzende.
Neben den Fotografien haben die Veranstalter der Ausstellung
Reklameschilder aus Email, Dosen, Verpackungen und Rechnungen zusammengetragen und
ausgestellt.
Auch diese Stücke wecken Erinnerungen an vergangene Tage, die
aber die Schüler der Grund- und Hauptschule Lichtenstein gar nicht haben können. Dennoch
waren sie aufgerufen, ihre Vorstellungen eines "Tante-Emma-Ladens" zu Papier zu
bringen.
Mit viel Phantasie und künstlerischem Talent ist den
Schulkindern der Klassen la, 1c sowie 4d dies gelungen. Bewerten wollten die Mitglieder
des Geschichts- und Heimatvereins die Werke nicht, belohnen schon: Geldpreise jeweils in
gleicher Höhe flossen in die Klassenkasse der Kids. |