MUNDART / Geschichts- und Heimatverein präsentiert das
Programm "Heimatland aber au"
High-Speed mit dem Süßen segeln
Kultur in Schwaben: Vom Bodensee-Rap bis zur
Literaturkritik
Beurkundet und beglaubigt haben sie es, die Jungs von
der Gillenbach Street Band: Sie sind die beste Speed Dixie Band in Baden Württemberg!
Allerdings auch die Einzige.
KARIN LOBER
UNTERHAUSEN Der Saal war voll, die Veranstaltung
ausverkauft. Der Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein konnte 200 Besucher zählen,
die das Programm des Ravensburger Maulartkabaretts sehen wollten.
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Großer Auftritt in Unterhausen: Die
Mitglieder der "Dirty Little Gillenbach Street Band" wissen: "Du musch
brutal guat aussäha und gscheit sei", um es zu was zu bringen. FOTO: KARIN LOBER |
Die Truppe kam ohne Manfred Hepperle, der nicht mehr auf
Tournee geht. Dafür waren die Musiker der Dirty Little Gillenbach Street Band dabei. Und
die sorgten für musikalischen Schwung und für zahlreiche Lacher.
Apropos Musik - die wurde an diesem Abend in einem
maximalem Speed und halsbrecherischem Affentempo serviert.
Logischerweise muss ein Speed Dixie Musiker also sein Instrument
ganz rasant bedienen können. Das genügt aber noch nicht. Die Messlatte liegt höher.
Posaunist Rudi Hämmerle weiß es genau: Ein Speed-Musiker muss "brutal guat aussäha
und bsoders gscheit sei". So wie er halt. Und so wie seine Bandkollegen.
Bei den Gillenbach Jungs läuft also alles prächtig. Einen
Karriereknick allerdings mussten sie schon verkraften. Bei einer Veranstaltung der CDU
wurden sie davongejagt. Warum, dass ist den Gillenbach Jungs noch heute ein Rätsel. Sie
wollten es doch besonders gut machen. Haben extra ein Lied älteren Datums ausgewählt, um
dem etwas betagterem Publikum gerecht zu werden. Der Titel: "Du schwarzer
Zigeuner".
Wenn die Musiker Pause machten, dann hatten Gabi Walser
und Wolfgang Engelberger ihren Auftritt. Da wurde ausführlich über die nicht anwesende
Nachbarin gelästert, die "ausländisches Lumpazoigs in ihrem Garten anbaut" und
auch noch Vegetarierin ist. Kein Wunder also, dass sie "bloich, wie a aufgebahrter
Bischoff aussieht".
Oder die beiden kriegen sich als Ehepaar in die Wolle, als es
darum geht ein Bild aufzuhängen. Der Mann vermisst dabei schmerzlich die Wasserwaage.
Frau kommentiert: " Warum willsch Du wissa, was des Bild wiegt?"
Stark die Parodie von Wolfgang Engelberger über Marcel
Reich-Ranicki. In der Rolle des Kritikerpapstes gibt er eine detaillierte
Literaturrezension über "Die Fischerin vom Bodensee" zum Besten. Ein Werk,
"das lange Zeit zu Unrecht verschmäht und in die Nähe des Kitsches gerückt
wurde". Ein Werk, das von unfähigen Leuten verkannt werde, "die den Präsens
nicht von einem Präservativ unterscheiden können". Dabei zeugt es doch " von
barocker Lebensfreude" und ist von einer "feinsinniger Symbolik
durchwoben".
In einem weiteren Solo sinniert Engelberger über das Faible der
Schwaben fürs Heimwerken und die Kultur. Das Kulturelle stecke ja , historisch bedingt,
tief in jedem Schwaben. Schließlich hat man ja Schiller und Hölderlin und Uhland und
Dieter Bohlen. Das Publikum interveniert. "Dieter Bohlen is koi Schwob? - nomol
Glück ghet".
Zwischen den Sketchen freut sich das Publikum immer wieder
über die beschwingten Lieder der Gillenbach Musiker. Die haben das Publikum bestens im
Griff. Da wird geschnippt und geklatscht was das Zeug hält. Bandleader Hämmerle
allerdings bittet die Osteoporose-Kranken nicht mitzuschnippen. Denn bei denen kracht das
immer zweimal und das bringt dann den ganzen Sound durcheinander.
Wenn die Musiker dann "Am Sonntag will mein Süßer mit mir
segeln gehen" in einem irrsinnigen Tempo präsentieren, ist klar: Bei diesem Speed
hätte selbst die Segler von der Alinghi keine Chance.
Trotzdem sind die Musiker nicht besonders gut gebucht. Bandleader
Hämmerle überlegt, ob es vielleicht an den geänderten Vertragsmodalitäten liegen
könnte. Statt Geld kassieren die Jungs neuerdings ihre Gage in Naturalien. Sie bleiben
lieber zum Essen und Trinken.
Zum Schluss die Zugabe von Engelberger. Als cooler Rapper
mit schriller Kopfbedeckung ermahnt er den Geschichtsverein auch für die neue
Musikgeschichte offen zu sein. Und dann rappt er was das Zeug hält: "Am Bodensee da
herrscht der Nepp, wer da noch nicht war, ist ein Depp."
Erscheinungsdatum: Dienstag 02.12.2003 |